Unser Bergmecke- Kreuzweg

Unser Bergmecke- Kreuzweg

Ein Weg zu ihm hin

 

Unser Kreuzweg in unserer Kirche: ein Korrektiv gegen biederes und naives Christsein

Wer einen Kreuzweg schön findet, weiß nichts von Golgotha, hat sich noch nicht eingefühlt auf Golgotha, sondern ist in einem Schrebergarten gelandet.

Ziemlich salopp formuliert, aber es wird schon stimmen.

Jetzt, seit dem 14. Mai 2002, hängt der alte Kreuzweg wieder in unserer Kirche, meisterhaft restauriert. Als unser neuer (seit 2000) Pfarrer Pastor Michael Hammerschmidt von der „Auslagerung“ des alten Kreuzweges auf den „Balken“ unserer Sakristei erfuhr, ließ er erst einmal probeweise eine Station herunter holen – mit ein paar Freunden unserer Kirche -, die reinigten das Bild vorsichtig mit einem Staubsauger und hängten es in der Kirche auf. Das Echo war positiv. Ältere unserer Gemeinde erinnerten sich: „Wir haben als Kommunionkinder immer einmal in der Woche in der Kirche diesen Kreuzweg gebetet. Allein oder zu zweit. Das taten wir. Selbstverständlich.“ – Lernen heutige Kommunionkinder (das sind die Kinder des 3. Schuljahres, die am nächsten Weißen Sonntag zur Ersten Heiligen Kommunion gehen) auch und so den Kreuzweg beten? Für die gegenwärtige Spaß- und Fun-Gesellschaft, zu der ja auch die Kinder gehören, ist das wohl nichts? Aber wir leben ja auch in der Event- oder Erlebnis-Gesellschaft, da ist doch der Kreuzweg ein Alternativ-Programm! So sagte eine junge Mutter schon von dem einen Bild in der Kirche: „Ja, das ist gut mit diesem alten neuen Kreuzweg. Da kann ich unserm Kind viel anschaulicher von Jesus erzählen.“ – Was meinen Sie? Wie halten Sie es? Der Kreuzweg ist nicht aktuell? Schon vor fast 2000 Jahren ist Jesus für seine Überzeugung auf diese Weise in den sicheren Tod gegangen. Lang ist das her. Zu lang... Da war der Wiedenbrücker Künstler und Kirchenmaler Heinrich Repke zwischen 1929 und 1934, als er diesen Kreuzweg malte, anderer Meinung. Auch unsere St. Nikolaus-Gemeinde mit ihrem Pfarrer Ferdinand Gerwinn, die gerade von diesem westfälischen Meister vor allem religiöser Kunst, ihre St. Nikolaus-Kirche ausmalen ließ. 1931 die Kirche. Den Kreuzweg 1929 bis 1934. Heinrich Repke wohnte damals – etappenweise – im Gasthof Korte, heute Moden Humpert / Erich Adams und Sohn Stephan, und seine Mitarbeiter im an der anderen Straßenecke gelegenen Lindenhof, heute Blumenhaus Dirk van Dijk, beim „Holländer“. Der Nationalsozialismus mit seinem ausdrücklichen und immer bekannter werdenden Hass auf die Juden und mit den noch oft versteckten Feindseligkeiten gegen politisch bekennende Christen trat von Jahr zu Jahr mehr in Erscheinung. Heinrich Repke gehörte aufgrund seiner christlichen Grundlagen zu den wenigen Künstlern, die das stärker werdende fürchterliche Regime durchschauten. Wirkliche Künstler haben ja oft einen tieferen und gründlicheren Einblick in ihre Zeit. Und er verstand es, das auch in seinen religiösen Bildern darzustellen, freilich so meisterhaft geschickt, dass wohl nur überzeugte Christen die Einordnung, Wertung der politischen Aktualität mancher Gemälde erkannten und in ihr persönliches Gebet aufnehmen konnten. Feinde der Kirche kamen ja anfangs nicht in jede Kirche, vermuteten auch nicht in Kreuzwegbildern politisches Engagement und Hilfe zum Beten, also zum Glauben.

Zwei Beispiele:

Zwei römischen Soldaten oder zwei Soldaten der jüdischen Tempelwache tragen nicht den zu ihrer Zeit üblichen Helm, den hätte der Künstler mit Leichtigkeit malen können, sondern sie hatten den Stahlhelm auf, einwandfreie Zeichen politischer Gewalt – in jenen Jahren. Schlagen Sie in Geschichtsbüchern nach unter „Reichswehr“ und „Stahlhelm“, immer im Zusammenhang so zwischen 1927 und 1932. Die politische Gewalt will Jesus hinrichten. – Und was können Gott-Sucher im 21. Jahrhundert, vielleicht noch mit ihren Erfahrungen der letzten 10, 20, 30, 40 Jahre, mit diesen Soldaten anfangen, die bei der brutalen Hinrichtung Jesu am Kreuz mitmachen mussten? Jene Soldaten mussten mitmachen. Zivilisationsgeschichtlich, kulturgeschichtlich betrachtet, dürften sie entlastet sein. Aber heutzutage? Wissen Sie um derlei Probleme bei unserer Bundeswehr? Auch noch aus der Zeit ihrer Anfänge der – so lautete damals das Wort – Kriegsdienstverweigerung? Inzwischen spricht man nach ziemlich veränderten Konzepten und Praktiken von Zivildienst. – Betrifft Mitmachen (müssen) nur Männer? Morden nicht auch Frauen? Aus Morden ist auch Mobbing geworden. Christen mobben Christen zu Tode. Wenn Sie den von Willi Repke und seinen Mitarbeitern restaurierten Kreuzweg beten, beten Sie auch für die gemobbten Christen, Christen unserer Gemeinde, aber bitte auch, dass der Heilige Geist die mobbenden Christen so energisch zum Nachdenken bringt, dass sie... Das weitere können Sie sich selber viel besser denken und beten... sowieso.

Das zweite Beispiel: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch, die 6. Station.

Diese erschütternde Szene, diese mit-leidend zärtliche Geste einer Frau steht nicht in der Bibel, in den Evangelien und Apostelbriefen. Erst im 4. Jahrhundert taucht Veronika in einer Legende auf; sie ist darin eine Jüngerin Jesu und gehört zu den klagenden Frauen auf seinem Kreuzweg. Veronika ist also keine historische Person. Wohl aber eine liebenswürdige Erfindung frommer und durchaus glaubwürdiger Andacht, in Mysterienspielen und Passionsspielen bis in die Barockzeit phantastisch ausgestaltet. Nach einem französischen Zweig der Legenden-Überlieferung ist Veronika im Jahr 70 im französischen Soulac gestorben; ihre Gebeine wurden in die Kirche St. Seurin in Bordeaux übertragen. Dargestellt wird sie als alte Frau, in den Händen das ausgebreitete Tuch, auf dem das Antlitz Jesu abgebildet ist. – In der Gegenwart, beim Oberammergauer Passionsspiel 2000, kommt Veronika so vor, aber ihr Name wird für die Zuschauer nicht genannt: „Was tut ihr mit ihm? O Gott, er fällt... Herr, wie ist dein Gesicht von Blut und Schweiß bedeckt!... (Trocknet ihm das Gesicht.)“

Politisch aktuell – 1929 – sieht unser Künstler Heinrich Repke Veronika. Nicht historisierend und gemäß den damaligen Vorstellungen von einer Jüdin mit schwarzem langen Haar und weißfahlem Gesicht. Sondern auf diesem Kreuzweg ist Veronika eine deutsche junge Frau, ein deutsches junges Mädchen, - die Betonung liegt auf deutsch! -, typisch dem Frauen-Idealbild der immer sichtbarer werdenden Hitlerzeit, wie das in den schon vorliegenden „Bildern deutscher Rassen“, und zwar der „nordischen Rasse“ angegeben war: „Farben: Sehr hell, Haar goldblond, Augen blau bis grau, Haut rosig-weiß“. Politisch aktuell – damals – 1929: genau so eine Frau ist Veronika: eine typische, deutsche, ganz junge Frau distanziert sich von dem ihr vorgeschriebenen antichristlichen Klischee. Sie versteht Jesus, erahnt oder kennt sein Lebenskonzept, akzeptiert seinen letzten Weg und bekennt sich in aller Öffentlichkeit zu ihm und zwar ganz persönlich, ganz herzlich, geradezu zärtlich, intim: sie reicht ihm ein Tuch, sie tupft ihm das Bluten durch die Dornenkrone und den Schweiß der Angst und der unmenschlichen Quälerei vom Gesicht...

Jetzt wird gewiss eingewendet: weil diese Szene, die ja für sich genommen ganz ergreifend ist, sowieso nicht historisch ist und weil diese Veronika doch nur in der Legende existiert, deswegen lohnt sich ein Übertrag, ein Transfer in unsere Zeit, ins 21. Jahrhundert, überhaupt nicht. Wir werden sehen. (Nun ist es auf keinen Fall sinnvoll, an dieser Stelle und in diesem Text einen bibelwissenschaftlichen „Ausflug“ einzufügen über die Methoden, woran man erkennen kann, welches als scheinbar historisch dargestellte und angenommene Ereignis auch tatsächlich historisch ist oder eben nicht, und was das für den Glauben an die Bibel, an das „Wort des lebendigen Gottes“ bedeutet. Dafür gibt es extra Bücher, auch in der Pfarrbücherei.) Also: bei einer Legende ist es selbstverständlich, dass sie keine historische Information liefert, sondern dass sie eine lebenswichtige Erfahrung vorstellt, die in ihrem Stil viel überzeugender ist als im Stil einer nüchtern und kühl formulierten Verhaltensregel. Von Veronika können, sollen wir diese lebenswichtige Erfahrung wahrnehmen: Veronika ist eine ganz normale Frau, fast noch ein ganz junges Mädchen. Sie ist – zuerst – Zuschauerin. Sie steht am Rand, da, wo was los ist. Leid. Doch sie hält sich nicht zurück. Sie bleibt nicht Zuschauerin. Kreischt nicht mit in der „Lautmalerei“ der Fans, reißt sich nicht hoch in das ekstatisch erscheinende Gestikulieren. Sie überschreitet den Rand, die Grenze der eigenen Sicherheit, die persönliche Sicherheitszone, den Bereich des „herzlichen Beileids“. Sie lässt sich los für das Leid des anderen, zum Mit-Leid. Mit ihrem Mit-Leiden übergibt sie sich in des Leidenden ganz persönliche Nähe, Sphäre, - das mit Missbrauch behaftete Wort Intimsphäre wird vermieden -. Ganz tief, ganz innig prägt sie sich sein Leid ein. Sie hat wohl nicht gewusst, wer dieser Jesus eigentlich ist. Sie konnte wohl noch nicht glauben, dass Jesus Gott ist. Dabei wahrt sie mit ihrem Tuch eine ehrfürchtige Distanz oder eine letzte Ratlosigkeit – vor dem Kreuz. Ein „wissendes Nichtverstehen“ (eine Formulierung des großen Wissenschaftlers und Beters Cusanus) vor diesem Kreuz dieses Schuldlosen. Als das Kreuz überstanden ist, sagt dieser Jesus zu einer Frau, zu Maria aus Magdala, die geheimnisvollen Worte: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern... Ich habe den Herrn gesehen“. Joh 20, 17-18. – Die Kirche hält Veronika für eine Heilige und feiert sie am 4. Februar, Jahr für Jahr. Wenn auch nur in der Legende existierend.

Und wir? Mitglieder der Mediengesellschaft, der Cyberspace-Menschen, Grenzgänger der realen und virtuellen Welt. Viel zu viel reales Leid haben wir zum virtuellen Leid werden lassen. Zu unserem Schutz. Wann, wo, bei wem verlassen wir, Sie, den Rand vom „herzlichen Beileid“ hinüber, hinein ins Mitleid, ins Auch-Leiden? Erinnern Sie sich an das Sterben, an den Tod von Menschen, die Sie gut gekannt, ja geliebt haben, auch an die, die Sie nur mal gesehen haben, auf Fotos, im Fernsehen, am Kreuz in den Kirchen – oder sogar am Kreuz bei sich zu Hause! Mitleid mit Jesus? Sie! Wie Veronika. Verlassen Sie als zeitrichtiger, moderner Mensch unserer Mediengesellschaft, unserer sozial „eingestellten“ Wohlstandsgesellschaft ihre (klein geschrieben!) Grenze und lassen Sie sich ein auf die andere Seite, in das Mitleiden? Wie Veronika? Wie Jesus von Nazareth? Hier sind seine Worte aus der Bergpredigt (in Angleichung an die „Zehn Goldenen Worte“ Gottes durch Mose am Berg Sinai), aufgeschrieben im Matthäus-Evangelium (5,4.7.11): „Selig die Trauernden... Selig die Barmherzigen... Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet...“ Beim Wort „selig“ geht es nicht um Wellness-Gefühle der Spaßgesellschaft, sondern um das Verbundensein mit Gott. „Barmherzig sein“ meint nicht rührende und behutsame Hätschelei, sondern: sein eigenes Herz, seine eigene, innerste Lebendigkeit offen tragen (das alte deutsche Wort „barm“ stammt vom lateinischen „ferre“; als ob die Deutschen kein eigenes Wort für dieses menschliche Verhalten kannten, hatten).

Die alte, unhistorische Legende von Veronika wirkt aktueller, attraktiver, überzeugender – und erst recht unser Kreuzweg-Bild – als die knappe Lebensregel: Seien Sie Veronika! Die Schutzpatronin der Eindrucksfähigen! Tragen Sie sein Antlitz hinein in die Welt! Zeigen Sie ihr das Antlitz ihres wahren Christus, Erlösers, Heilands! Seien Sie Veronika, egal ob Sie zum weiblichen oder männlichen Geschlecht gehören! Praktizieren Sie Mitleiden! Prägen Sie sich in aller Öffentlichkeit Jesus, den Gekreuzigten, ein! Legen Sie ihn nicht unter Glas! Lieben Sie ihn und beten Sie ihn an!

Und wer immer noch auf die Selbstfindungs-Verfahren setzt, mag sich mit Veronika einprägen: Ich fühle, ich bin nichts in mir selbst. Ich kann nur sein, wenn ich liebe. Erst dann bin ich, finde ich mich, kenne ich mich.

Wer in unserer Kirche den Kreuzweg von Station zu Station des öfteren gegangen ist, hat die Erfahrung gemacht: diese Bilder bringen den Beter nach 3 oder 4 Stationen schon dazu, sein eigenes Leid und das ihm bekannte Leid seiner kleinen oder großen Welt dem leidenden Jesus Christus anzuvertrauen. Und der Beter weiß, dass dieses Anvertrauen keine naive Zeitverschiebung eines umgekehrten Science-fiction-Films ist.

Mehr lässt sich an dieser Stelle nicht sagen, wohl beten. Gewiss, manche beten Jesus Christus lieber in der schimmernden Hostie der goldumstrahlten Monstranz an als im blutigen Kreuzeszeichen. Doch wer seinen Stimmungen, seiner Betroffenheit (ein Allerweltswort des letzten Drittels des 20. Jh., fast schon ein „Unwort“) die größte Bedeutung beimisst, was bleibt dann übrig? Vielleicht erinnern Sie sich an das Gedenken unserer Verstorbenen oder auch lebenden Lieben: Christen können ihre Verstorbenen und auch ihre lebenden Lieben noch durch die Ewige Liebe (ein Wort mittelalterlicher Mystik) erreichen. Und diese Ewige Liebe ist Jesus Christus, zugespitzter: sein Kreuzesopfer. Also beten wir den Kreuzweg (und feiern wir die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu in der Feier der Hl. Eucharistie).

Sie können das „Gotteslob“ zu Hilfe nehmen: Nummer 775. Da eröffnen sich Ihnen noch ganz andere Zeiten, andere Perspektiven: zu Ihrem Leid und zum Leid des historischen Jesus kommt noch – so kann man sagen – der Kreuzweg des Alten Volkes Gottes. Denn dieser Text im „Gotteslob“ ist geradezu von Formulierung zu Formulierung, genauer: von Zitat zu Zitat aneinandergereiht, angefüllt mit Worten aus dem Alten Testament. Sehr schade ist freilich, dass den ganz normalen Christen unserer Tage leider das Alte Testament nicht so bekannt ist, dass sie in den für sie oft seltsam befremdlichen Worten, Gedanken, Bildern, Vergleichen die Jahrhunderte langen Lebenserfahrungen Israels mit dem Leid nicht wahrnehmen, nicht wahrnehmen können. Wahrscheinlich sollte man auch nicht hergehen und nach jedem Zitat die Stelle im Alten Testament zum Nachlesen angeben. Denn dann würde der Kreuzweg endlos dauern. Das ist gewiss für eine Kreuzweg-Andacht einer mehr oder weniger zahlreichen Gottesdienst-Gemeinde eine unhöfliche Zumutung. Aber wenn man für sein eigenes Leben die Erfahrung macht, dass der Kreuzweg Jesu in Verbindung mit dem eigenen Kreuzweg geradezu endlos erscheint, ist das so nachteilig? Bekannt ist die schon einmal zitierte Lebenserfahrung des großen John Henry Kardinal Newman: „Das Kreuz ist das Maß von allem!“ Das Kreuz Jesu! Damit bekommt Ihr Kreuz einen Sinn, der mit Gott zu tun hat.

Für Sie als Gottsucher ist der Kreuzweg Jesu ein Weg, Gott zu finden. Bitte, denken Sie dran: Sie HABEN Gott nie. Umgekehrt ist richtig: er hat SIE!

Und erinnern Sie sich vielleicht auch dank seiner Gattin Claudia an das knappe und sicher lebenserfahrene Wort des Römers Pontius Pilatus: Ecce homo! – Schaut euch den an! Der ist der richtige Mensch! - - - In Jesus können Sie Gott erfahren.

Unser Kreuzweg draußen : Der Bergmecke-Kreuzweg und Neckers Kreuz

Wer unseren Bergmecke-Kreuzweg schon von Anfang an mitgegangen ist, wird sich erinnern: als uns Freienohlern klar war, dass wir auch draußen einen Kreuzweg brauchen, und als dann selbstverständlich die Wegstrecke klar war, nämlich teilweise die der über 400 Jahre alten ersten Freienohler Urbanus-Prozession, da brauchten wir dann natürlich auch die Stationen. Unser ehemaliger Pastor Werner Gerold hatte einen cleveren Plan, verschmitzt schmunzelnd hatte er vorn in der Kirche Blätter ausgelegt und mit seiner zügigen Handschrift Spender für die einzelnen Stationen um ihren Eintrag gebeten. Sehr schnell, unerwartet schnell waren die Stationen bezahlt. Es gab einzelne Spender, einzelne Familien und mehrere, die sich zusammen getan hatten. Und der eine und andere weiß noch, welches Anliegen, welches Leid, welche Sorge „hinter“ dieser und jener Station steckten. – Als dann die fertigen Stationen fest verankert werden sollten, gab’s ein Problem: vom Anfang aus gesehen, vom Stückelhahn-Kreuz aus, sollten die Stationen rechts am Wege stehen; aber das ging berechtigter Weise von Seiten der Forstwirtschaft nicht. Also kamen die Stationen auf die linke Seite.

Auf der linken Seite kommt Jesus dem Beter entgegen, der Beter geht nicht mit Jesus. Gewohnt ist der Beter die andere Wegrichtung. Aber – wir sind ja Gottsucher – ist das so schlimm? Ist es nicht gut, die Erfahrung zu machen? Jesus kommt mir schon entgegen! Er ist schon da, wenn ich anfangen will!

Ganz am Schluss des Bergmecke-Kreuzweges steht dann Neckers Kreuz.

Was es damit auf sich hat, das entnehmen wir wieder vollständig und dankenswerter Weise Ludwig Schwefer; im St. Nikolaus-Boten, dem Pfarrbrief der Katholischen Pfarrgemeinde zu Freienohl und Olpe, Juli 1986; Hintergrund dieses Textes ist – auch wie immer – die alte Chronik von Freienohl, verfasst von Franz Kroh:

Bei der Verfolgung der geschlagenen Franzosen, die 1813 nach der Völkerschlacht bei Leipzig, dem Rhein zustrebten, zog auch eine kilometerlange Russenkolonne. Damals sagte man im Ruhrtal: „Der Franzose als Feind ist nicht so schlimm wie der Russe als Freund“. Nicht nur als Befreier schienen diese Soldaten aufgetreten zu sein. In Freienohl jedenfalls drang ein Soldat gewaltsam in das Haus der Familie Siepe (Necker), - damals Mittelstraße, der Kerstholtsgasse gegenüber -, ein und bedrohte die Frau des Hauses. Seine Degenspitze stieß er in den oberen Türbalken. Nur ein zu Hilfe gerufener russischer Offizier konnte den Eindringling vertreiben. Die abgebrochene Degenspitze blieb als Erinnerung an dieses schreckliche Ereignis. Zum Dank für die Rettung aus dieser Gefahr stiftete Georg Siepe ein Wegekreuz, das dem jetzigen Hause Kampmann gegenüber aufgestellt wurde. Es diente immer als Stationskreuz bei der Urbanus-Prozession und wurde all die Jahre von der Familie Siepe betreut. Als 1848 bei der Bergmecke-Prozession unterwegs gepredigt werden sollte, wurde das Siepen-Kreuz: „Neckers Kreuz“ in die Bergmecke neben die Waldkanzel, später auch eine eiserne Kanzel, versetzt, wo es ebenfalls als Prozessions-Kreuz dient. Dem Haus Kampmann gegenüber wurde ein neues Kreuz errichtet. Diese „Waldkanzel“ existiert schon einige Jahre nicht mehr. Im Jahr 1986 wurde sie im Arbeitseinsatz und von Spenden der Straßengemeinschaft „Bergmecke – Tannenweg – Obere Urbanusstraße“ durch einen schweren Grauwackenblock aus einem Hellefelder Steinbruch ersetzt. Er ruht als Altarstein auf einem fachmännisch aus Kopfsteinen gepflasterten Plateau. Das Holzkreuz mit dem Korpus, mehrfach (1931 und 1976) schon erneuert, wurde kunstgerecht aufgearbeitet und restauriert. – Ludwig Schwefer schließt: Anerkennung und Dank allen, die mithalfen.

Eine Ergänzung zur Urbanus-Prozession: Wann die Urbanus-Prozession eingeführt wurde, darüber sind in den Kirchenbüchern keine Eintragungen zu finden. Nachweisbar aber wurde der Urbanus-Tag schon im Jahr 1537 gefeiert. Damals führte die Prozession von der Bergstraße aus durch die Felder, durch die Schlade und über den Kump. Seit 1848 geht der Weg durch die Bergmecke.

Wer den Bergmecke-Kreuzweg geht, geht auf einem Boden, auf dem schon über Jahrhunderte hinweg unzählig viele Freienohler gebetet haben, - ähnlich wie von Jerusalem nach Golgotha schon über Jahrhunderte hinweg unzählig viele Christen den Kreuzweg Jesu nachgegangen sind.

Wenn Sie sich daran erinnern, dürften Sie Erfahrungen mit Jesus machen, mit Gott.

 

Schon Jesus ist in die Knie gegangen: Die Sieben Fußfälle in Olpe

 

Wie wir schon zum Bergmecke-Kreuzweg unseren Kirchenraum verlassen haben, so ziemt es sich, auch an die „Sieben Fußfälle“ in Olpe zu erinnern. Wer an geschichtlichen Daten der Olper Sieben Fußfälle interessiert ist, lies nach in der Olper Chronik, im Band 2 (1992), Seite 62 – 64 und auf Seite 68 findet man dann die Karte mit einigen Ortsangaben der alten Stellen der Stationen. Sie hatten am Heimberg gestanden, waren verfallen und fast vergessen – bis zum Jahr 1996: Olper erinnerten sich wohl auf Grund einer Anregung unseres ehemaligen Pastors Werner Gerold an ihre Sieben Fußfälle. Im Juli wurden an größtenteils neuen Stellen am Heimberg die Fundamente gelegt und im Oktober 1996 wurden die sieben Stationen eingeweiht. Seitdem pflegen die Olper ihren besonderen Kreuzweg, beten ihn, auch Freienohler kommen vorbei, einmal im Jahr die Katholische Frauengemeinschaft (die kfd). Sie alle gehen in die Knie. Sieben mal. So wollte es das Brauchtum dieses Betens aus der Barockzeit. Drei Kniefälle kennt ja der Kreuzweg mit den 14 oder mancherorts auch 15 Stationen. Die Zahl Sieben gilt bekanntlich als heilige Zahl. Man kann sagen: schon immer. In der babylonischen und israelitischen, jüdischen Religion, in der Zivilisation und Kultur des alten Griechenlands ist die Sieben Zeichen der Ganzheit, Fülle und Vollkommenheit. Wer also in der Nachfolge Jesu, - und das Beten der Sieben Fußfälle ist schon ein gutes Stück Nachfolge Jesu -, sieben mal in die Knie geht, der ahnt bestimmt etwas vom Kreuz Jesu, vom Kreuzes-Tod, vom Kreuzes-Opfer Jesu, von seiner Ganzheit, Fülle und Vollkommenheit, von der Not-Wendigkeit dieses Tuns Jesu. Freilich, automatisch ereignet sich da nichts bei Ihnen. Es bedarf schon, - wie beim Rosenkranz-Beten -, mancher Wiederholungen. Mit der Gott-Suche ist das wie beim Sport: gekonntes Training erst macht den Erfolg möglich.

Noch einmal ganz deutlich: Sie müssen schon in die Knie gehen, sieben mal mindestens.

Heinrich Pasternak