Weihnachtspredigt 2022 von Pfarrer Michael Hammerschmidt

Liebe Jungen und Mädchen, liebe Geschwister im Glauben,

Vor einigen Tagen sagte mir eine Frau, die beruflich viel im Ort unterwegs ist, auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes „Die Schere wird immer größer". Gemeint war, dass auch hier bei uns der Abstand zwischen arm und reich immer größer wird.
Diesen Riss in der Gesellschaft hat ein Discounter zu Weihnachten als Werbefilm ins Netz gestellt mit dem Titel „Der Riss".

Spaltung und Risse spüre ich aber auch bei der Radikalisierung der Woke Bewegung. Auch in der Kirche zwischen Leuten, die Reformen anmahnen und anderen, die Vieles aussitzen. Leider auch zwischen den Gemeindemitgliedern, die in der Kirche Weihnachten feiern und anderen, für die Weihnachten — so schön das ist — gutes Essen und Familie bedeutet, aber kein Gottesdienstbesuch. Das war übrigens auch schon üblich vor Corona, vor den Missbrauchsfällen, dem Machtmissbrauch und anderen Defiziten der Institution Kirche.

Nicht umsonst hat unser Bundespräsident am 28. Oktober in einer beachtenswerten Rede zur „Zeitenwende" uns folgendes ins Stammbuch geschrieben: „Ich wünsche mir, dass wir uns bei all den Mühen nicht aus den Augen verlieren, dass wir unsere Kraft jetzt nicht im täglichen Gegeneinander vergeuden. Wenn wir zusammenhalten, wenn wir Mut und Ehrgeiz beweisen, dann bin ich mir sicher: Wir werden dieser Aufgabe gewachsen sein." Also alles tun für ein Miteinander.
Ich habe dieses Jahr ein Kreuz gekauft, welches ich kurz beschreibe: Auf einer quadratischen Fläche sind kleine Kreuze zu sehen. Darüber eine blaue Scheibe, auf der eine Jesusfigur befestigt ist. Die meisten Kreuze sind von der blauen Scheibe abgedeckt, aber wir sind eingeladen, auch die Kreuze anderer mitzutragen, denn Weihnachten heißt die Botschaft: Gott ist mit uns.

Viele erleben auch Weihnachten Nächte und Dunkelheiten. Jochen Klepper hat es in einem der schönsten Lieder (GL 220) so formuliert: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen, dem hellen Morgenstern. Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein, der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein."

Eigentlich wäre uns der „Supermann-Retter" Jesus lieber. Nun ist es an der Zeit, das wahre Weihnachten zu entdecken. Gott riskiert alles, um von uns in den Arm genommen zu werden. Gott ist uns anvertraut. Groß genug, um das ganze Universum zu erschaffen, klein genug, um in unsere Umarmung zu passen. Das ist das Wunder von Weihnachten. Gott will erreichbar sein. Gott will da sein, wo wir Menschen sind: Mitten in einem Leben, dass auch Schwierigkeiten, Mühen und Nöte mit sich bringt. Gott macht sich klein. Gott geht den Weg nach ganz unten, damit wir ihn treffen können und dann in tiefer Verbundenheit mit ihm auch den Weg nach oben in das Reich der Liebe finden können.

Die Krippe steht dafür, dass Gott uns nicht beherrschen will, sondern dienen. Er hat sich mit „Haut und Haar" auf diese Welt eingelassen, er ist Mensch geworden.

In meiner Krippe steht ein Esel, der mir von einem palästinensischen Christen in Bethlehem vor 3 Jahren geschenkt wurde. Mit dem Ritt auf dem Esel, begann die Leidenswoche in Jerusalem. Krippe und Kreuz gehören zusammen. 

In einem Adventslied (GL 230) heißt es: „denn es ging dir (Gott) zu Herzen sehr, da wir gefangen waren schwer ..." Gefangen in all den Mühseligkeiten und Abhängigkeiten, gefangen in Fragen, Sorgen und unlösbaren Problemen, gefangen in Erfolgsdruck und Selbstoptimierung ... Es ging Gott so sehr zu Herzen, dass er uns nicht darin alleine lassen wollte. Deshalb diese armselige Futterkrippe — und deshalb auch am Ende das Holz des Kreuzes. Krippe und Kreuz sind aus dem gleichen Holz geschnitzt — aus dem Holz der Hingabe. Krippe und Kreuz sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, aus der Liebe Gottes zum Menschen.
Nehmen wir dieses Angebot der Liebe an, damit unser Glaube realistisch ist und auch Kraft gibt für unser Leben, wie es in der 4. Strophe des Liedes von Klepper heißt: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und — schuld, doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam heut die Rettung her."
Gesegnete Weihnachten!